Die Findorffer Torfkähne bewegen sich auf den Spuren der Moor-Pioniere
Es war einmal ein König, der hatte Land zu verschenken. So könnte das Märchen von der Moorkolonisation beginnen, wenn es eines wäre. Das war es aber nicht.
Seit Jahren können die Bremer und ihre Gäste sich mit Nachbauten historischer Torfkähne gemütlich durch die idyllische Landschaft schippern lassen. Und sie können auch eine Reise in die Vergangenheit mitbuchen. Denn die Findorffer Torfkähne haben es sich zur Aufgabe gemacht, dass das Schicksal der Moorbauern in Bremen nicht in Vergessenheit gerät.
Sie hießen zum Beispiel Kück oder Gefken, Cordes, Meyerdiercks und Behrens. Es sind Nachnamen, die man auch heute noch in Bremen und der Region oft hört. Die ersten Moorsiedler waren Menschen, die der Mut der Verzweiflung antrieb. Sie hatten kaum mehr zu verlieren als ihr Leben: So formuliert es die Schriftstellerin Elke Loewe in ihrem Roman „Teufelsmoor“ (Rowohlt, 2002).
Der Herrscher, der das Land so großzügig verteilte, war Georg II., König von Großbritannien und Irland, und gleichzeitig Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg. Bereits um 1720 hatte die staatliche Kolonisation der Moorgebiete begonnen. Unter der Regentschaft des zweiten britischen Monarchen aus dem Haus Hannover wurde sie systematisch vorangetrieben, vor allem aber durch seinen Mann vor Ort: Das war der Ingenieur und „Moorkommissar“ Jürgen Christian Findorff (1720 bis 1792), dessen Namen der Bremer Stadtteil viel, viel später übernahm.
Unter Findorffs Leitung wurden ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in den menschenfeindlichen Moorgebieten Entwässerungszüge angelegt, schiffbare Gräben gebaut, Siedlungen gegründet und Kirchen errichtet. Für den Monarchen war es kein schlechtes Geschäft: Er überließ es den Untertanen, sein 60 000 Hektar weites Brachland urbar zu machen, und profitierte durch neue Pacht- und Steuereinnahmen. Die Pioniere waren Knechte, oder auch nachgeborene Bauernsöhne, die keine Aussicht auf das väterliche Erbe hatten. Das Teufelsmoor war ihre Chance auf ein Stück Freiheit und Unabhängigkeit. Doch die Kolonisten erwartete dort das nackte Elend.
Der „Teufel“ im Namen leitet sich ursprünglich vom niederdeutschen „duv“ im Sinne von „taub“, „leblos“ ab. Die Siedler standen vor dem Nichts. Alles, was sie zum Überleben brauchten, mussten sie sich selbst erarbeiten. Das Baumaterial, mit dem sie ihre ersten Unterkünfte errichteten, hatten sie mitbekommen. Doch die zeltartigen Moorkaten boten wenig heimeligen Schutz. Die Hütten wurden mit Torfsoden gedeckt, die sich bei Regen vollsogen wie ein Schwamm. Durch das Loch, das im Dach wegen der Feuerstelle offen bleiben musste, regnete es, so dass die Hütte ständig knöchelhoch unter Wasser stand. Und Regen gab es im Moor mehr als genug. Die harte körperliche Arbeit, Kälte, Feuchtigkeit und Hunger setzten den Menschen zu. „Den Ersten sien Dood, den Tweeten sien Noot, den Drüdden sien Broot“: Dieser düstere Reim ist für das bitterarme Leben der ersten Generationen im Teufelsmoor sprichwörtlich geworden.
Der Boden gab nicht viel her, außer dem Heizmaterial Torf, für das es in Bremen einen immer größeren Bedarf gab. Moorkommissar Findorffs Kanalnetz führte in die Stadt. 1826 wurde in der Nähe der Plantage ein Hafen ausgehoben, an dem bald 9000 Kähne im Jahr ankamen. Ab 1873 wurde der Torfhafen zwischen Eickedorfer- und Neukirchstraße der wichtigste Energielieferant Bremens. Am Kai, der sechsmal länger war als heute, wurden jährlich bis zu 30 000 Torfkähne entladen. Die Lieferanten hatten die Torfsoden mit den eigenen Händen aus dem Moor gestochen, hatten sich in ihren Kähnen tagelang mühsam bei Wind und Wetter in die Stadt gekämpft. Anständig entlohnt wurden sie dafür nicht. Für die Bremer waren sie einfach nur „Jan van Moor“.
Doch im 20. Jahrhundert versiegte die Nachfrage – es gab neue Brennmaterialien, neue Transportmöglichkeiten. Bereits 1913 wurde der Torfhafen bis zur Höhe Magdeburger Straße zugeschüttet, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er auf seine heutige Größe reduziert. Der verbilebene Rest verkümmerte zu einer zunehmend verwahrlosten Brachfläche – Spötter sprachen von einem "Enten-Wendebecken". Das blieb so, bis man nach der Jahrtausendwende das Potenzial dieses kleinen Schatzes für die Förderung der städtischen Aufenthaltsqualität und des naturnahen sanften Tourismus wiederentdeckte.
Mit Hilfe der Fördermittel der EU-Projekte RiverLinks und Canal Link, ergänzt durch Mittel aus der Abwasserabgabe, Mitteln der Beiräte Schwachhausen und Findorff sowie aus Zuschüssen der Stiftung Wohnliche Stadt wurde der Torfhafen aufwändig saniert, erhielt solide Kajen, neue gepflasterte Wege und eine monumentale Treppe aus hellem Granit. Im Mai 2006 wurde die Einweihung des sanierten Torfhafens mit einem großen Fest gefeiert. Ein Jahr darauf eröffnete der Biergarten, der als Attraktion in den Sommermonaten Gäste aus der ganzen Stadt nach Findorff zieht. Und seitdem legen auch wieder Torfkähne vom Findorffer Torfhafen ab.
Wer noch viel mehr über die Geschichte der Moorbauern und der Torfschifferei erfahren möchte, ist bei den historisch-landschaftskundlichen Fahrten der Findorffer Torfkähne richtig. Aber wer möchte, kann sich auch einfach gemütlich durch die Gegend schippern lassen.
Der aktuelle Fahrplan liegt an der Hütte am Torfhafen aus oder kann über die Internet-Adresse www.torfkaehne-bremen.de heruntergeladen werden. Nähere Auskünfte über die einzelnen Fahrten und über Preise und Buchungen gibt es beim Torfkähne-Team im Büro an der Neukirchstraße 1, telefonisch unter der Rufnummer 37 87 75-86 (montags bis freitags 11 bis 16.30 Uhr) oder per E-Mail an torfkaehne@bras-bremen.de.